
Das Einsichtsrecht des Patienten in die Behandlungsunterlagen
Das Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Patientenakte ist gesetzlich in § 630g BGB verankert und bildet ein zentrales Element des Selbstbestimmungsrechts im medizinischen Behandlungsverhältnis. Es dient nicht nur der medizinischen Nachvollziehbarkeit, sondern hat auch erhebliche Beweisbedeutung in Haftungsprozessen.
1. Grundsatz: Unverzügliches Einsichtsrecht
Der Patient hat auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige ihn betreffende Patientenakte zu erhalten. Eine Verweigerung ist nur zulässig bei:
- erheblichen therapeutischen Gründen, z. B. Gefahr einer (Selbst-)Schädigung
- schutzwürdigen Rechten Dritter, z. B. bei psychotherapeutischen Aufzeichnungen zu Familienmitgliedern
In jedem Fall ist die Verweigerung zu begründen – ggf. nur pauschal, wenn die Offenlegung selbst schädlich wäre.
2. Zweck und Reichweite der Dokumentation
Die medizinische Dokumentation dient primär der Gedächtnisstütze der Behandelnden und der Sicherstellung einer lückenlosen Weiterbehandlung. Deshalb müssen u. a. Anamnese, Diagnosen, Befunde, Therapien, Einwilligungen und Arztbriefe dokumentiert werden (§ 630f Abs. 2 BGB). Kein Einsichtsrecht besteht in interne organisatorische Unterlagen, z. B. Hygieneprotokolle.
3. Form und Änderungen
Die Dokumentation kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. Elektronische Systeme müssen Änderungen nachvollziehbar machen (§ 630f Abs. 1 BGB). Systeme, die nicht fälschungssicher sind, haben eingeschränkte Beweiskraft.
4. Kosten und Kopien
Nach § 630g Abs. 2 BGB hat der Patient Anspruch auf Kopien (auch elektronisch).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26. Oktober 2023 (C-307/22) klargestellt, dass Patientinnen und Patienten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO Anspruch auf eine erste unentgeltliche Kopie ihrer vollständigen Patientenakte haben – unabhängig vom Zweck der Anforderung. Die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, einschließlich ärztlicher Notizen und Befunde. Damit steht dem Anspruch aus § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB, der bislang eine Kostenerstattung vorsah, die unmittelbar anwendbare Datenschutz-Grundverordnung entgegen. Die Entscheidung stärkt die Patientenrechte und erleichtert insbesondere die Geltendmachung von Ansprüchen im Fall eines vermuteten Behandlungsfehlers.
5. Ort der Einsichtnahme und Versendung
Grundsätzlich ist die Patientenakte in der Praxis oder Klinik vorzulegen. Ausnahmsweise kann auch eine Übersendung – etwa an den Rechtsanwalt – verlangt werden (§ 811 BGB analog).
6. Grenzen der Einsicht
Ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit besteht nicht. Auch Änderungen der Akte (z. B. nachträgliche Berichtigungen ärztlicher Bewertungen) kann der Patient nur in engen Grenzen verlangen.
7. Einsicht durch Dritte
- Erben haben ein Einsichtsrecht zur Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche (§ 630g Abs. 3 BGB).
- Angehörige können Einsicht bei immateriellen Interessen verlangen (z. B. Trauerverarbeitung).
- Krankenversicherungen benötigen eine Schweigepflichtentbindung oder gesetzliche Grundlage (z. B. § 294a SGB V).
Vor- und Nachname des Patienten
Straße und Hausnummer
PLZ Ort
An
[Name der Arztpraxis / Klinik]
Straße und Hausnummer
PLZ Ort
Ort, Datum
Betreff: Einsicht in und Übersendung der Patientenakte gemäß § 630g BGB
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich fordere Sie hiermit auf, mir gemäß § 630g Abs. 1 BGB unverzüglich Einsicht in meine vollständige Patientenakte zu gewähren. Bitte stellen Sie mir zusätzlich gemäß § 630g Abs. 2 BGB eine vollständige Kopie meiner Patientenunterlagen – einschließlich sämtlicher ärztlicher Befunde, Laborergebnisse, Arztbriefe, bildgebender Diagnostik (z. B. Röntgen-, MRT- oder CT-Bilder) sowie Aufklärungs- und Einwilligungsdokumente – zur Verfügung.
Die Kopien können Sie mir elektronisch (z. B. per E-Mail oder CD) oder postalisch an meine oben genannte Adresse übermitteln. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Oktober 2023 (C-307/22) hin, wonach die Erste Kopie der Patientenakte kostenlos zur Verfügung zu stellen ist.
Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens und teilen Sie mir mit, wann ich mit der Übersendung der Unterlagen rechnen kann.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift bei postalischem Versand]